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Medienarchiv der Hans-Henning Endres GmbH & Co. KG

Der „Mister Unimog“ von Berlin – Gerhard Hinrichs und seine schönsten Unimog-Anekdoten

Niemand weiß mehr Geschichten rund um den Unimog in Berlin zu erzählen als Gerhard Hinrichs, von Beginn an als KFZ-Mechaniker mit dem Unimog in Berlin vertraut und ihm bis Dezember 1994 beruflich und bis zum heutigen Tag emotional tief verbunden.

Als Geselle bei der Firma Gottfried Flatow, die als Kfz-Werkstatt für die Unimog-Generalvertretung arbeitete, kam der 1929 in Mecklenburg geborene Hinrichs Anfang der 50er Jahre erstmals mit dem Unimog in Berührung und Machte in den Folgejahren unzählige Vorführungen mit Unimog-Fahrzeugen.

Ab dem 01. Mai 1957 war er dann bei der Firma Hans-Henning Endres beschäftigt, ab 1958 als Meister und ab 1969 als Werkstattleiter. Selbst bis ins ferne Gaggenau war Gerhard Hinrichs als „Mister Unimog“ bekannt und geschätzt.

Vor allem von den Vorführungen für potentielle Kunden, aber auch von Überführungen und Erfahrungen der Kunden mit dem Unimog handeln Gerhard Hinrichs Anekdoten. Einige von ihnen wurden von dem Cartoonisten Dirk Meissner kongenial umgesetzt und wurden erstmals während der Sonderausstellung „Der Unimog in Berlin“ im Unimog Museum gezeigt.

13.07.2013 Besuch von Christoph Lehmann in Berlin, um Gerhard Hinrichs über Unimog-Geschichten aus früheren Jahren zu interviewen. Dieses Treffen führte zur Veröffentlichung der Unimog Anekdoten mit den Cartoons von Dirk Meissner (v.l.n.r.):

  • Christoph Lehmann,
  • Hans-Rüdiger Endres,
  • Gerhard Hinrichs ("Mister Unimog in Berlin"). 

Da die Anekdoten aus den 1950er/60er Jahren stammen, muss man sich Unimog der Typen 2010, 401, 411 und 406 vorstellen und beim 401 vor allem das in Berlin verbreitete Froschauge, dessen Hinterachse häufig mit Zwillingsbereifung zur Erhöhung der Traktion und mit Ballastgewicht auf der Pritsche ausgestattet war.

Viel Vergnügen beim Betrachten und Lesen der neun schier unglaublichen, aber wahren Geschichten rund um den damals noch so kleinen Alleskönner.

Gerhard Hinrichs erinnert sich an "Unimog-Rekorde"

  • Der erste Unimog-Fahrer
    Herr Giebler von der Domäne Dahlem, der 1951 den ersten Unimog in Berlin ausgeliefert bekam.

  • Die längste Überführung
    Die erste große und zeitlich längste Überführung fand im Oktober 1953 statt. Drei Unimog mit drei Anhängern von Gaggenau über Wuppertal nach Berlin. Dauer sechs Tage.

  • Der zeitlich längste DDR-Transit
    Die zeitlich längste DDR-Durchfahrung fand im Herbst 1954 mit zwei U 25 und einem Drei-Achs-Anhänger statt. Bei Hochwasser 26 Stunden für die Strecke Hirschberg - Berlin.

  • Die größte Überführung per Achse
    1955 fand die größte Überführung per Achse mit 24 Unimog und Anbaugeräten für die BSR statt.

  • Der schnellste U 25
    Im Dezember 1953 erreichte ein U 25 mit einem Anhänger gefühlte 80 km/h bei eisglatter Autobahn bergab im Teutoburger Wald. Der Gang war rausgenommen. Rekordhalter Gerhard Hinrichs.

  • Die teuerste Probefahrt
    Die teuerste Probefahrt verursachte ein Geselle unserer Werkstatt 1971, indem er einen U 411 auf dem Kopf stellte. Einschließlich der Mietkosten für ein Ersatzfahrzeug entstanden Kosten in Höhe von 15.000 DM.

  • Die größte Unimog-Überführung
    Die größte Unimog-Überführung mit Fahrzeugen der Baureihe 406 führte 1970 die Firma Endres durch. Sechs Unimog und sechs Anhänger "Reiseleiter" war Verkaufsleiter Werner Glück.

  • Der schmalste Unimog
    Den schmalsten Unimog hat nicht etwa die Firma Trenkle sondern die Firma Eternit "hergestellt". Der Unimog wurde zwischen einer Hauswand und einem Güterwagen eingeklemmt und war danach nur noch 1.200 mm breit. Der Fahrer blieb unversehrt.

  • Die am weitesten entfernte Montage
    Der weiteste Anfahrtsweg zu einer Montage führte nach Nordafrika. Genau auf die Nilinsel Elephantine bei Assuan. An einem alten U 411 wurde ein Frontlader angebaut und der Motor instandgesetzt. Der Akteur Gerhard Hinrichs war 10 Tage unterwegs.

  • Die kürzeste Auslieferung
    Die kürzeste Auslieferung ging 1968 zum Nachbarn, der Arnold Georg AG. Sie bekam einen U 40.

  • Die längste Auslieferung
    Die längste Auslieferung ging 1978 nach Syrien. Das Archäologische Institut bekam einen U 600 mit Lader und Anhänger als Geschenk von der Bundesrepublik Deutschland. Das Fahrzeug wurde erst verschifft und dann von Gerhard Hinrichs per Achse von Damaskus zur Oase Palmyra gebracht.

1953 - Ein Lindwurm zieht durch Berlin

Man stelle sich vor, ein UNIMOG zieht vier andere im Schneckentempo mitten durch Berlin. Am helllichten Tag – im normalen Straßenverkehr! Die Fahrt über den Ernst-Reuter-Platz via Zoologischer Garten bis hin zum Columbiadamm dauert gute 1 ½ Stunden… Und niemand regt sich auf!

So war das noch in den 60er Jahren. Der Grund, damals musste jedes Fahrzeug zur Zulassung beim Kraftverkehrsamt vorgefahren werden. Jedes brauchte ein rotes Kennzeichen für die Fahrt. Da hatte man bei Endres die „Lindwurm-Idee“: Vorne ein zugelassener UNIMOG mit schwarzem Kennzeichen, hinten einer mit roter Nummer – und dazwischen die Neulinge ohne Kennzeichen. Einfach genial. Nur schnell war dieser Zug nicht.

1953 Vorführ-Unimog mit Westfalia Ganzstahl-Fahrerhaus (Froschauge).

Aufnahme gegenüber dem Betriebsgelände von der Firma Hans-Henning Endres, Berliner Str. 37, Berlin-Reinickendorf. 

Ein und drei Unimog mit Schleppstangen verbunden ("Lindwurm") auf dem Weg zur Kraftfahrzeug-Zulassungsstelle in Berlin-Tempelhof. Nur der erste Unimog war zugelassen.

27.-31.12.1953 - Lehrstunde für einen VoPo

Besonders aufreibend wurde die Überführung eines Anhängers dessen Geradeauslauf bemängelt wurde. Er musste von Berlin zurück nach Wuppertal, zum Hersteller Blumhardt, gebracht werden. Dieses Manko sollte direkt im Werk korrigiert werden, darauf hatte Chef Endres bestanden. Es kam alles zusammen was diese Fahrt zu einer unvergesslichen Anekdote gemacht hat. Tiefster Winter, der Unimog mit seinen 25 PS, dazu der gewaltige 3-Achs-Anhänger, den Hinrichs schon leer auf ca. 6 bis 8 t schätzte. Das ergibt ein Leistungsgewicht, mit dem heute nicht mal ein Schwertransport auf die Straße kommen würde. Zunächst die Rahmenbedingungen: Geschlossenes Fahrerhaus, ein Glücksfall, denn darin war es wenigstens etwas wärmer als in den bisherigen Klappverdeckmaschinen.

Der Straßenzustand mit Eis und Schnee verschärfte die Lage zusätzlich und der junge Hinrichs verfügte noch über keinerlei „Langstreckenerfahrung“, eine weitere Belastung war mangels Routine der Umgang mit dem Papierkram an der Interzonengrenze. Ein grundsätzliches Problem war, dass Hinrichs zu diesem Zeitpunkt noch nicht den "2er" Führerschein für LKW hatte. Er hatte schlicht und einfach bisher noch keine Zeit gehabt ihn zu machen. Hinrichs wollte unter diesen Umständen die Überführung nicht antreten. Daraufhin ließ Herr Endres ein Schriftstück aufsetzen, welches im Ernstfall dem Polizisten oder Grenzbeamten der DDR die Umstände erklären sollte. Zum Glück kam er nicht in diese Verlegenheit, sonst hätte die Sache wohl mit einem Festsetzen von Mann und Lastzug in der DDR, geendet.

Die Hinfahrt dauerte fast zwei Tage!!! Natürlich nicht unter Einhaltung der heutigen Lenk- und Ruhezeiten. Ankommen: lautete die oberste Devise, schließlich war es kurz vor Silvester und Hinrichs wollte in diesem Jahr wieder zurück in Berlin sein. Auf der Autobahn herrschte zeitweise Chaos, es wurde kreuz und quer geparkt, die Glätte zwang zu Ausweich- und Überholmanövern, die heute in einem ARD-Brennpunkt ausführlich und in Farbe gezeigt werden würden.

In Wuppertal angekommen wurde der Anhänger im Werk abgegeben. Allerdings war er am nächsten Tag nicht wie zugesagt fertig. Die Zeit drängte also, weil man Silvester zu Hause sein wollte.

Auf der Rückfahrt, nachts bei Dunkelheit und Schnee, auf Höhe des Teutoburger Wald lief eigentlich alles ganz gut, bis Hinrichs in einer langen Gefällstrecke den Gang herausnahm. Damals eine bei Berufskraftfahrern übliche Methode um Zeit sowie Sprit zu sparen. In Anbetracht der Leistungsfähigkeit damaliger Bremssysteme aber umso haarsträubender, zumal bei Schneeglätte!!

Der mächtige Anhänger trieb den kleinen Unimog vor sich her, so dass sich Hinrichs nicht mehr zu bremsen traute. Das ausgekuppelte Getriebe heulte, wie nie zuvor gehört. Wo die Tachonadel stand? Danach zu sehen war nicht die geringste Zeit, obwohl es höchst interessant gewesen wäre diesen Rekordwert zu notieren. Die Angst saß Hinrichs im Nacken, denn sehr wahrscheinlich hätte ein Bremsmanöver böse geendet und der kleine grüne Frosch samt Anhänger und Fahrer wären womöglich in den ewigen Jagdgründen neben der Autobahn gelandet. Also ließ er das Gespann ausrollen. Klar, dass jetzt erst eine Zigarette fällig war.

Nach dieser Aktion ging es hellwach weiter in die Nacht hinein. Nach rutschiger Fahrt schließlich am Kontrollpunkt Helmstedt angekommen, stellte er das Gespann aus Platzmangel im Halteverbot ab, was prompt einen brüllenden Grenzer auf der Bildfläche erscheinen ließ. „Wo parken Sie denn, das wird teuer“, schnauzte er. Vor Hinrichs innerem Auge lief das volle Behördenprogramm wegen des nicht vorhandenen Führerscheins 2 ab. Doch es kam anders warum auch immer. Sage und schreibe 1 DM wurde für diesen Strafzettel zu Hinrichs Erleichterung fällig. Die gefürchtete Frage nach den Papieren wurde nicht gestellt, wer sollte auch vermuten, dass jemand ein solches Gespann ohne entsprechenden Führerschein fährt.

Mittlerweile war es der 31.12., trotz Zeitdruck musste eine Schlafpause eingelegt werden. Die anstrengende Fahrt und der monotone Rhythmus aufgrund der Fahrbahnfugen auf der Transitstrecke, forderten ihren Tribut. Hinrichs machte es sich im engen Fahrerhaus „bequem“. Nicht wirklich, wenn man weiß, wie wenig Platz in der Kabine des Froschauges war.

Auf dem Wald von Schalthebeln wurde ein Sack ausgebreitet, um den "Liegekomfort" zu erhöhen. Die Beinfreiheit wurde durch Herunterkurbeln der Seitenscheibe erreicht. Weckerstellen war nicht nötig, denn die zum Seitenfenster herausgestreckten Füße wurden schnell kalt, so dass es nicht zum gewünschten Erholungsschlaf kam.

Auf der Transitstrecke überholte dann mehrfach ein VoPo (Volkspolizist der DDR).auf einem Motorrad. Nach dem dritten Überholmanöver kam die gefürchtete Kelle. Hinrichs Standardfrage „.. bin ich zu schnell gefahren"? war technisch bedingt ohne Gefällstrecke selten mit JA zu beantworten. Immerhin trug Hinrichs zu diesem Anlass wie üblich den grauen Kittel mit Mercedes-Stern, was ein gewisses Gegengewicht zur Uniform des Beamten darstellte.

Dessen Besorgnis galt dem Unimog mit dem Anhänger. So ein kleines Auto kann doch nicht so einen großen Anhänger ziehen! Das war die Steilvorlage für einen Technikvortrag von Hinrichs. Der interessierte VoPo wurde immer neugieriger bei der Demonstration der Bremsanlage und dem gewährten Blick unter die Motorhaube. Zum Glück waren die Winker schon auf Verlängerungsstäben montiert, so dass sie zur Breite des Anhängers passten. Damit gab es keine begründete Kritik an dem Lastzug. Als der VoPo, wahrscheinlich als einer der erster Bürger der DDR, bestens über den Unimog informiert war, wünschte er eine gute Weiterfahrt und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Endlich stand der Beendigung der ereignisreichen Überführung nichts mehr im Wege und Hinrichs kam nach fünf Tagen und vier Nächten, noch pünktlich zur Silvesterfeier zu Hause an. Den Jahreswechsel verschlief er allerdings. Im neuen Jahr sprach Hinrichs Herrn Endres zum Thema Führerschein an: "Ich fahr nie wieder ohne Führerschein der Klasse 2"!! Was aber doch noch einmal passierte.

Das Foto zeigt die erste große Überführung vom Werk Gaggenau über Rüdesheim nach Wuppertal zur Firma Blumhardt, nach Berlin mit drei Unimog und drei Anhängern.

Herbst 1954 - Der Fassadenkletterer

Auf einem Abrissgrundstück in Spandau sollte Mitte der 50er Jahre die freistehende Mauer eines Hauses niedergerissen werden. Dem beauftragten Unternehmer stand u.a. auch ein Unimog zur Verfügung, den er als Gebrauchtfahrzeug bei Endres erstanden hatte. Es war eben dieser Unimog, den Endres zuvor einige Zeit als Vorführfahrzeug genutzt hatte. Inzwischen hatte ihn der Abrissunternehmer Kirschmann mit Zapfwellengetriebe und Heckseilwinde ausrüsten lassen und damit schon mehrfach erfolgreich einsetzen können.

Diesmal sollte eine Hausmauer umgerissen werden, scheinbar nur eine weitere Routineaufgabe für den Unimog. Das lange Seil wurde 30 - 40 m abgespult, an der Mauer befestigt, die Zapfwelle eingeschaltet und der Motor mit etwas erhöhter Drehzahl laufen gelassen. Das Seil spannte sich, der Unimog ruckte an und stemmte sich gegen die Zugkraft der Winde. Aber er rutschte immer weiter vor. Die Mauer jedoch stand unerschütterlich. Sie hatte offenbar schon andere Angriffe überstanden. Warum es niemandem gelang den Motor abzustellen ist unklar, offenbar war die Überraschung über die standhafte Mauer so groß, da nur vergeblich versucht wurde, die Winde direkt am Windengetriebe mit dem Hebel auszukuppeln. Dies misslang, weil das Seil und damit auch die Kupplungsklauen voll unter Spannung standen. Arbeit mit Seilwinden war und ist immer ein Risiko!

Schließlich kam es soweit, dass der Unimog bis an die Mauer herangezogen wurde und das nun fast senkrecht hängende Seil zunächst seine Hinterachse anhob und ihn schließlich immer höher zog! Unglaublich, aber auch als der Unimog schon 45° "bergab" stand ging es munter weiter hinauf! Inzwischen war auch der rettende Zugang zum Absteller-Gestänge der Einspritzpumpe unmöglich geworden und außerdem war ja immer noch mit dem Einsturz der Mauer zu rechnen. Also musste aus sicherer Entfernung erzwungenermaßen tatenlos zugesehen werden, wie der Unimog im wahrsten Sinne des Wortes senkrecht die Wand hochging! Hier kam nun im Unglücksfall zum Tragen, dass die Unimog Konstrukteure ein Fahrzeug für extreme Steigungen entwickelt hatten, dem auch unter diesen Umständen nicht der Sprit ausging.

Als in 10m Höhe das Tauchrohr im Tank irgendwann doch nur noch Luft ansaugen konnte und die Dieselfilterbehälter endlich leergesaugt waren, fand die unfreiwillige "Zirkusnummer" ihr Ende. Welch ein Anblick, da hing er nun wie ein Schinken in der Räucherkammer, das "Publikum" war fassungslos. Als die Sache als einigermaßen statisch sicher eingeschätzt wurde, falls hiervon überhaupt die Rede sein konnte, wurde der kleine Artist mit einem großen Kran auf den sicheren Boden zurückgeholt. Dass diese Bergung nicht ungefährlicher war als die Steilwandartistik zuvor, versteht sich von selbst.

1954 - Im Schneckentempo auf dem Kaiserdamm

Einem Abrissunternehmer sollte der Unimog schmackhaft gemacht werden. Der Schutt einer Ruine in Kreuzberg sollte zur Deponie gefahren werden. Der Unternehmer lies die zwei Anhänger randvoll beladen und hätte somit einen dienstbeflissenen Polizisten zu ehrgeizigen Taten aufrufen können. Am steilsten Stück des Kaiserdammes kroch der Unimog mit mittlerer Handwagengeschwindigkeit die Straße hinauf. Jeder der einen U 25 einmal selber gefahren hat weiß, wie schwierig ein Gangwechsel von 2 nach 3 ist. Meistens begnügt man sich also mit dem 2. Gang, um das Gespann nicht zum völligen Stillstand zu bringen.

Im Rückspiegel des Unimog tauchte auch bald ein VW-Käfer im typischen dunkelblau der Berliner Polizei auf, der Beifahrer winkte schon wichtig mit der rotweißen Kelle und ließ den Lastzug anhalten. Hinrichs, im grauen Kittel, mit Mercedesstern, stieg aus und erkundigte sich betont freundlich, was er denn wohl falsch gemacht hätte. Den Ball flach zu halten war für Hinrichs oberstes Gebot, denn zu dieser Zeit konnte er noch nicht den längst fälligen Führerschein der Klasse 11 vorweisen. Arbeiten war ihm einfach wichtiger, als Fahrschule.

Die Polizei bemängelte die zu geringe Geschwindigkeit und die viel zu schwere Ladung. Hinrichs ging eifrig auf das Gespräch ein und erklärte dieses und jenes. Damit konnte das Vorzeigen der Papiere dezent umgangen werden. Er hätte ja wiegen wollen, erklärte Hinrichs, aber es gab nun mal keine Waage in der Nähe und extra durch die halbe Stadt zum Wiegen zu fahren, so viel Sprit war nicht im Tank des Unimog. Dann wurden ersatzweise diverse bemängelnswerte Dinge am Lastzug amtlich festgestellt. Im Laufe der immer noch in freundlichem Ton geführten Diskussion, fragte der Polizist sichtlich überfordert: "Ja watt machen wa denn nun mit Ihnen"?

Hinrichs antwortete nicht ganz uneigennützig: "Na am besten Sie lassen mich weiterfahren". Völlig verdutzt kapitulierte der Ordnungshüter mit den Worten: "Mensch, haun'se bloß ab!" Damit stand einer erfolgreichen Fortsetzung der Vorführung nichts mehr im Wege.

1956 - Unimog mit zwei Zweiachs-Anhängern der Firma Bergemann Fuhrbetrieb, Berlin Heidestraße.

1954 - Der zerrissene Kittel

Das Pflügen mit dem Unimog, eine der klassischen Disziplinen eines Schleppers, wurde den Interessenten erstmals in Lübars, einem Dorf im Norden der Stadt, auf dem Betriebshof von Herrn Kühne, vorgestellt. Immer dabei Herr Endres und der Vertreter Herr Prahl. Die Besonderheit bestand diesmal darin, dass der Radiosender RIAS, Rundfunk im amerikanischen Sektor, zu dieser Veranstaltung eine Reportage machte.

Voller Eifer wurde gezeigt was der neuartige Schlepper konnte. Vertreter Prahl erklärte den Vorgang, als der Pflug noch am Boden war. Das Kommando von Hinrichs: "Weg da, ich hebe hoch"! ging im Geschehen unter. Als der Pflug anhob verfing er sich in Prahls Kittel und riss ihn der Länge nach auf! Außer einem Sachschaden war zum Glück nichts zu beklagen.

Leider ist nicht überliefert, ob und wie der Rundfunk das Geschehen kommentierte. Die Furchen, die mit Hilfe des Unimog gezogen wurden, waren recht ansehnlich, was wohl die Zuschauer überzeugte.

Kühne, Qualitz und andere Landwirte wurden Unimog-Besitzer, so dass in der Stadt bis in die Gegenwart hinein Gaggenauer arbeiten.

1955 - Der verlorene Anhänger

Eine klassische Nutzungsart des Unimog in Berlin war der Einsatz als Zugmaschine für Koks- und Kohlenanhänger. Bis weit in die 70er Jahre wurden viele Industrieanlagen und Hausheizungen mit Steinkohle oder Koks zum Heizen beliefert. So kam es, dass ein Vertreter der Firma Endres einen Kokstransport für Hinrichs mit einem Unimog organisiert hatte. Es sollten für die Kohlengroßhandlung Jänichen in der Buschkrugallee in Britz zwei Anhänger gezogen werden. Es handelte sich um einen elastikbereiften und einen luftbereiften Anhänger. Wie so oft war ein Beifahrer mit an Bord, Herr Orlowski, der Vater eines späteren Monteurs und Urgesteins der Werkstatt der Firma Endres.

Ins Gespräch vertieft, ging es u.a. um die Lautstärke des Unimog im Fahrerhaus, an die man sich, nach Hinrichs Meinung, im Laufe der Zeit gewöhnt. Nebenbei bemerkte Hinrichs, dass der Unimog mit diesen zwei Anhängern recht gut zog, Bis plötzlich ein VW vorbeisauste, dessen Fahrer und aufgeregt gestikulierte und rief "Anhalten, anhalten, Sie ham'nen Anhänger verloren"!! Anhänger verloren?

Das war natürlich auch damals ein schwerer Zwischenfall! Hinrichs drehte um und fuhr so schnell es ging zurück. An dieser Stelle sei mal wieder erwähnt, dass die Verkehrsdichte um ein Vielfaches geringer war als heute. Mal schnell umdrehen auf der Hauptstraße war mit dem wendigen Unimog kein Problem. Der verlorene Anhänger stand unbeschädigt, wie eingeparkt, zwischen zwei Bäumen am Straßenrand, die Deichsel nach hinten geschwenkt, ganz ordentlich. Hinrichs fiel ein Stein vom Herzen, weil der Anhänger unbeschädigt war. Der lakonische Kommentar des Beifahrers: "Ach ditt is die olle Kriegskupplung (Rangierkupplung ohne Sicherung, nicht vergleichbar mit der Bolzenkupplung des Unimog) vom Hänger, den ham wa schon öfter mal verloren".

Für diesen Tag war das Glück des Tüchtigen aufgebraucht und die Vorführung wurde ganz vorsichtig zu Ende gebracht.

1955 - Firma Max Telschow & Co. Kohlenhandlung, Güterbahnhof Wilmersdorf

1956 - Der Taucher

Nicht nur zu hohe oder auffällig niedrige Geschwindigkeiten brachten Hinrichs in Bedrängnis, auch die Vorführung von Anbaugeräten am Unimog barg Risiken. Diesmal ging es darum, den mit einem KLAUS-Lader HK 1 und Mehrschalengreifer ausgerüsteten Unimog, angesehenen Fachleuten aus Landwirtschaftsbetrieben und Gärtnereien sowie Kunden und Interessenten anderer Branchen vorzuführen. Anwesend Herr Endres und u.a. die Herren Preis, Lehmann und Lepkojus.

Dieser "Polypgreifer" war im Verhältnis zum Unimog recht schwer. Dazu kam noch, dass der Lader zu der Zeit noch keine eigene Abstützung zum Boden hatte. So kam es wie es kommen musste. Auf einem Betriebshof in Marienfelde sollte die Jauchegrube entleert und die Strohreste mit dem Polypgreifer umgesetzt werden. Als Hinrichs im Regen auf dem kleinen Sitz des Laders hockte und die Zuschauer erwartungsvoll unter ihren Regenschirmen standen, begann er mit der Demonstration. Jeder Handgriff und jede Bewegung des Gerätes wurden aufmerksam verfolgt. Hinrichs, durch die ersten erfolgreichen Versuche angespornt, langte ordentlich zu und der Greifer packte eine riesige Portion Mist. Der Hubraum wurde angesteuert. Der kleine Unimog neigte sich unter dem Ungetüm von Greifer fürchterlich und drohte Umzukippen.

In Panik sprang Hinrichs vom seinem "Hochsitz". Er wählte die falsche Seite, und landete in der Jauche. So stand er zwar ohne Blessuren, aber gut gedüngt vor dem versammelten Publikum, das sich vor Lachen kaum noch halten konnte. Hinrichs wurde zur Erheiterung aller mit dem Gartenschlauch abgespritzt und bekam frische Kleidung. Diese Vorführung war dennoch ein Erfolg, denn der Bekanntheitsgrad von Hinrichs, Endres und dem Unimog stieg schlagartig. So eine Geschichte spricht sich natürlich schnell herum.

1956 Grüne Woche mit "Klaus Polygreifer", Josef Preiss in Berlin-Frohnau

1956 - Ein ungewollter Geschwindigkeitsrekord

Ein Mittel die Leistungsfähigkeit vom Unimog unter Beweis zu stellen waren praktische Vorführungen im Betriebsalltag des Interessenten. In diesem Falle sollten zwei Anhänger, mit denen flüssiger Asphalt transportiert wurde, quer durch Berlin, von Rudow nach Wannsee gebracht werden. Unter heutigen Bedingungen würde dieser Transport zu einer Verkehrsmeldung in den Nachrichten führen, denn solch ein Gespann benötigt zwei Ampelphasen zur Querung einer großen Kreuzung. Diese "Teerkocher" waren im Straßenbild häufig hinter einem Unimog zu sehen und wirkten aufgrund des rauchenden Schlotes, des ratternden Dieselmotors und der schwarzen. Teerhaut wie kleine Dampfloks auf Gummireifen. Mit den aus heutiger Sicht mageren 25 PS des Unimog in den 50er Jahren musste gut gehaushaltet werden, was im Klartext hieß, ständig mit Vollgas zu fahren und jedes Gefälle auszunutzen, damit man mal die 50 km/h-Schallmauer brechen konnte.

Auf der Rückfahrt vom Abladeort in Wannsee bietet sich die Gelegenheit zu einer "Hochgeschwindigkeitsfahrt", denn die Königstraße ist kerzengerade und stark abschüssig! Das damals geringe Verkehrsaufkommen und fehlende Ampeln veranlassten Meister Hinrichs, vor den Augen des Beifahrers eine gute Zeit herauszufahren. Trotz des Zitats "saumäßigen" Zustandes der Straße, wurde eine Geschwindigkeit gefahren, die den besorgten Beifahrer veranlasste, den Enthusiasmus von Hinrichs zu bremsen, denn er fürchtete um die Schamotte-Auskleidung der Teerkocher. Die bretthart gefederten leeren Anhänger hüpften Unglücklicherweise lustig hinter dem Unimog hin und her.

Siedend heiß fiel Hinrichs ein, dass er beim Wechseln der Anhänger nicht kontrolliert hat, ob die Bremskraftregler der Anhänger von ungebremst auf Leerfahrt umgestellt waren! Als er dies mit großem Schrecken bemerkte, lenkte er das Gespann geistesgegenwärtig auf einen Radweg und konnte auf einen im spitzen Winkel abzweigenden Waldweg fahren. Dieser führte glücklicherweise bergauf, ähnlich einer Notbremsgasse in den Alpen. So kamen der Unimog und die Teerkocher unbeschadet zum Stehen! Mit zittriger Hand wurde erst mal eine Beruhigungszigarette angesteckt, bevor die Unversehrtheit des Materials festgestellt werden konnte. Trotz dieses Schreckens konnte der spätere Kunde Köhler überzeugt und mehrfach in die Käuferliste von Endres eingetragen werden.

1956 Firma Krüger Fuhrbetrieb, Berlin-Spandau,
Aufnahme Kaiserin-Augusta-Allee, Klammt-Gebäude (Horn und Görwitz)

1957 - Die Schlange hinter dem Unimog

Der Pflug am 25 PS Unimog ist uns aus zahlreichen alten Fotos bekannt. In den Großstädten gab es Schrebergartenkolonien. In Berlin werkelten hier die "Laubenpieper". Auf so einem Laubenpiepergelände, das für eine bevorstehende Bebauung schon teilweise geräumt war, sollten die Vorzüge des Unimog beim Pflügen gezeigt werden. Anwesend die Herren Endres und Kittel, Letzterer Inhaber eines Landschaftsbaubetriebes.

Ein Unimog mit Zweischarpflug am Luftkraftheber war extra von einem Kunden für die Vorführung ausgeliehen worden. Ob der Eigentümer des Geländes nur die Arbeit gemacht haben wollte oder wirklich Kaufabsichten hatte ist im Nachhinein nicht mehr nachweisbar, jedenfalls stand eine Menge Arbeit an. Hinrichs hatte bis dahin erst einmal gepflügt. Seine Bedenken, dass er wenig Erfahrung damit hätte, wischte Endres vom Tisch: "Mach mal, das wird schon gehen". Als der Unimog schwer unter Last stand und der Vortrieb nachließ, rief Herr Endres: "Fahr weiter, fahr weiter". Trotz des Ansporns: "Allrad und Sperren rein"! wollte es nicht so richtig vorwärts gehen.

Der Unimog zerrte am Pflug bis nichts mehr ging. Die Experten staunten und Hinrichs wunderte sich, denn so schwer konnte kein Boden in Berlin sein. Des Rätsels Lösung war ein verborgenes Wasserrohr im Erdreich, das eine Schar des Pfluges erwischt hatte und das der Unimog nun wie eine Schlange über zig Meter hinter sich herzog. Dieses unerwartete Geschehen überzeugte Kittel, denn wenn der Unimog beim Pflügen noch eine Wasserleitung herausreißen konnte war das ein hervorragender Beweis seiner großen Zugkraft. Auch der Gartenbaubetrieb Kittel wurde in die Käuferliste der Firma Endres eingetragen.

1958 - Der Unimog, dem einen zu laut, dem anderen zu leise

Dass Unimog, LKW und Arbeitsmaschinen allgemein nicht zu den Leisetretern zählen, gehört zum Allgemeinwissen. Dass aber heute die Lärmbelastung pro Fahrzeug viel geringer ist als früher, wird schnell vergessen, da die schiere Masse an Fahrzeugen die Fortschritte in der Geräuschbekämpfung für den Laien nicht erkennbar macht. In den fünfziger Jahren war ein Kraftfahrer eben noch ein echter Kraft-Fahrer. Er brauchte zum Lenken, Bremsen und Kuppeln wirklich noch Kraft, vom Be- und Entladen ganz zu schweigen. Man musste also hart im Nehmen sein, wenn man täglich hinter dem Lenkrad saß und besonders dicke Trommelfelle haben. Die Weisheit, der Beruf des Fernfahrers sei der schönste der Welt, weil man den ganzen Tag vorm Bett sitzt und aus dem Fenster guckt, stimmte damals wie heute nicht.

Es gab bestimmt noch einiges zu verbessern, das dachte sich auch ein Fahrer der Spedition Hamacher. Er kam eines Tages auf Hinrichs zu und fragte, ob denn der Unimog nicht irgendwie ein bisschen leiser sein könnte, der Motor sei so laut, da fallen einem ja die Ohren ab. Hinrichs ging darauf ein und verringerte auf dem etwas früher über einen längeren Zeitpunkt eingespritzt und die Verbrennung erfolgte nicht mehr so schlagartig, der Klang wurde weniger hart. Eine Rechnung durfte nicht gestellt werden, sonst hätte ja der Fuhrparkchef, Herr Nagel, Wind von der Sache bekommen. Gesagt, getan, der Unimog war nun etwas leiser und der Fahrer war zufrieden.

Allerdings bemerkte nun Herr Nagel wenn der Unimog an seiner Loge vorbei vom Hof fuhr, dass dieser irgendwie seinen charakteristischen Klang verloren hatte. Da für Herrn Nagel dieser typische Sound zum Unimog gehörte, machte er sich Sorgen um den Motor und sprach Hinrichs an, was denn da wohl los sein könnte. Dieser beruhigte ihn, das sei ganz normal, im Laufe der Zeit ändere sich das Motorgeräusch. Vom heimlichen Geräusch-Tuning war natürlich keine Rede. Egal wie, es soll so klingen wie früher, verlangte Herr Nagel und beauftragte die Werkstatt, den Motor entsprechend einzustellen. Vorteil war, dass jetzt beide Arbeiten in Rechnung gestellt werden konnten. Ob dem Fahrer dann tatsächlich die Ohren abfielen oder er die Lust am Unimog fahren verlor, ist nicht überliefert.

1958 - Harry W. Hamacher, Spediteur, Berlin NW 40, Paulstraße 20b

Erzählt von Gerhard Hinrichs,

Gezeichnet von Dirk Meissner,

Copyright für Text Christopher Lehmann, 2014

Copyright für Fotos und Cartoons Hans-Rüdiger Endres, 2014

Herausgegeben von Hans-Rüdiger Endres, Kaiserin-Augusta-Allee 4, 10553 Berlin

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